
Photo: UHH-RRZ-MCC-Mentz
Name: Kritios-Knabe Catalogue number: 22 Description:
Eine unterlebensgroße nackte männliche Statue. Es fehlen beide Unterarme, rechter Unterschenkel und der linke Fuß. Die Figur steht ponderiert, dabei ist das rechte Spielbein nach vorne gestellt. Der Kopf ist leicht nach rechts gewendet. Die Figur trägt kurze Haare, die in Wellen eng am Schädel anliegen. Um den Kopf verläuft ein Lockenkranz. Das Gesicht ist faltenlos, die Augenhöhlen sind hohl. Am Körper sind besonders die Leisten plastisch hervorgehoben, die Oberköpermuskulatur ist angedeutet. Original AO: Athen, Akropolis-Museum, Inv. 698. Original LO: Ahen, Akropolis, Südbereich, Perserschutt. Körper 1865/6; Kopf 1888. Original date: Um 480 v. Chr. Interpretation and historical context:
Eine Votivstatue im Strengen Stil von der Athener Akropolis. Sie wird den Künstlern Kritios und Nesiotes zugeschrieben, welche auch die Tyrannenmörder geschaffen haben, und der Kopf des Harmodios ist stilistisch ähnlich gearbeitet. Das Haltungsmotiv der Statue im Kontrapost mit Stand- und Spielbein markiert den Anfang der späteren klassischen Darstellung von stehenden Figuren. Daher ist die Frage, ob die Statue vor oder nach der persischen Invasion geschaffen wurde, in der Forschung viel diskutiert worden. Weil der dargstellte Körper viel organischer wirkt, als die blockhaft erscheinenden archaischen Kouroi, ist es der Zeitpunkt dieser Umstellung entscheidend – passierte dies auf natürliche Weise oder von persischen Zerstörungen provoziert (Hurwit 1989, 61). Der genaue Aufstellungsort ist nicht bekannt, der kleine Einlass für Meniskos auf dem Kopf deutet auf eine Aufstellung im Freien hin. Fehr (1979, 28) interpretiert die Statue als eine Verkörperung des Erziehungsideals nach den Perserkriegen. Comparison:
Oft verglichen mit dem Blonden Kopf (Athen, AkropM 689), da beides Epheben Darstellungen sind und etwa zur gleichen Zeit entstanden, wobei der Blonde Kopf später eingeordnet wird (Hurwit 1989, 63). Zur Haargestaltung siehe Bronzefigur eines Jünglings aus Selinunt (Palermo, Museo Archaeologico Regionale „Antonio Salinas“ ohne Inv.? vgl. P. Marconi, L’Efebo di Selinunte (Rom 1929) und einen Bronzekopf in Athen NAM, Inv. 6590. Literature:
K. Servi, The Acropolis. The Acropolis Museum (Athen 2011) 131.
M. S. Brouskari, Musée de L’Acropole. Catalogue Descriptif (Athen 1974) 133-134, Fig. 238.
K. Stemmer (Hrsg.), Standorte. Kontext und Funktion antiker Skulptur. Ausstellungskatalog Berlin (Berlin 1995) 161f, Kat. B 35.
J. M. Hurwit, The Kritios Boy. Discovery, Reconstruction, and Date, AJA 93, 1989, 41-80.
H. Schrader, Archaische Marmor-Skulpturen im Akropolis-Museum zu Athen (Wien 1909) 59, Abb. 48.
H. Schrader (Hrsg.), Die archaischen Marmorbildwerke der Akropolis (Frankfurt am Main 1969) 191-195, Kat. 299, Abb. 182-186, Taf. 120-123.
B. Fehr, Bewegungsweisen und Verhaltensideale (Bad Bramstedt 1979) 25-30, Abb. 6-5.

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Name: Ganswürger Catalogue number: 107 Description:
Es handelt sich um eine lebensgroße Figurengruppe aus einem kleinen Knaben und einer Gans. Der Junge ist unbekleidet. Er trägt kurze, leicht lockige Haare. Die Haare an der Stirn sind in einen kleinen Knoten zusammengebunden. Der Körper des Knaben ist kindhaft füllig und weich aber dennoch kräftig. In seinen Armen hat der Junge den Hals und den rechten Flügel der Gans fest im Griff und presst sie zu seiner linken Schulter. Dabei wendet er seinen Kopf zur Gans und lächelt. Er steht breitbeinig und kippt leicht nach hinten und zur rechten Seite, indem er die Gans fester an sich drückt. Die Gans ist etwa so groß wie das Kind. Ihr Körper befindet sich hinter dem Kind. Sie hat ebenfalls ihre Bei-ne gespreizt, um besseren Halt zu haben und Widerstand zu leisten, der Schnabel ist weit geöffnet. Original AO: München, Glyptothek, Inv. 268 Original LO: Villa Quintiliana, Via Appia, Rom. Original sources: Plin. hist. nat. 34,84. Herondas 4.31. Original date: Griech. Original: um 230-220 v. Chr. Röm. Kopie: 1. Jh. n. Chr. Interpretation and historical context:
Die Gruppe wurde zusammen mit zwei anderen Repliken in der römischen Villa Quitiliana gefunden. Aufgrund einer Öffnung im Gänseschnabel könnten alle Repliken in einer Brunnenanlage der Villa aufgestellt worden sein (Stemmer 1995, 211). Insgesamt sind sechs große und eine kleine Replik bekannt, die größtenteils in Rom gefunden wurden (Künzl 1968, 77). Die zahlreichen Kopien dieser Gruppe zeugen von der Beliebheit des Motivs im kaiserzeitlichen Rom. Die dargestellte physische Aktion, eine Momentaufnahme, gehört zu den Merkmalen der hellenistischen Skulptur (Kunze 2002, 146). Die pyramidale Komposition erinnert an Statuengruppen mit Heroenthematik (z. B. Menelaos und Patroklos in Florenz, Palazzo Pitti; Blendung des Polyphems in Sperlonga, Museo Archaeologico Nazionale; der Farnesische Stier in Neapel, Museo Nazionale Inv. 6002) (Smith 1991, 136). Die ursprüngliche Funktion des Originals ist unbekannt. R. R. R. Smith schlägt die Deutung als eine Votivgabe an Asklepios vor, da bei Herondas eine thematisch ähnliche Statue im Asklepios-Heiligtum von Kos erwähnt wird – ein Dank der Eltern für die Heilung ihres Kindes (Smith 1991, 136, weitere Überlegungen zur Funktion siehe Kunze 2002). Plinius d. Ä. nennt einen Künstler Boethos, der eine Statue des Knaben, der eine Gans würgt, geschaffen hat. Ob Plinius über genau diese Gruppe schrieb, ist ungeklärt. Comparison:
Repliken in Vatikan, Musei Vaticani Inv. 66, und in Paris, Louvre Inv. MA 40 diese wurden ebenfalls in der Villa Quintiliana gefunden. Andere Repliken: Rom, Kapitol. Mus. Inv. 238; Rom, Museo Torlonia Inv. 448; Genf, Musée d’Art et d’Historie Inv. 8944, Rom, Mus. Naz. Inv. 8565, Paris, Mus. Rodin Inv. 357, Statuette in Neapel, Mus. Naz. Inv. 120581 (Kunze 2002, 142f). E. Künzl nennt die Gruppe des Herakles mit dem Löwen als Vorbild für den Ganswürger (Künzl 1968, 79, Abb. 10).
Weitere Gruppe der Thema Knabe mit der Gans ist die Skulptur „Knabe mit der Fuchsgans“ (Rühfl 1981, 258f, Abb. 110) aus Wien, Kunthistorisches Museum Inv. I 816. Literature:
K. Stemmer (Hrsg.), Standorte. Kontext und Funktion antiker Skulptur (Berlin 1995) 211f, Kat. B 62. Replik Louvre: 419, Kat. D 13
R. R. R. Smith, Hellenistic Sculpture (London 1991) 136, Abb. 170. R. Lullies, Griechische Plastik. (München 1979) 126–127, Abb. 253.
E. Künzl, Frühhellenistische Gruppen (Köln 1968) 77ff, Abb. 11.
R. Wünsche, Glyptothek München. Meisterwerke griechischer und römischer Skulptur (München 2005) 112.
H. Rühfel, Das Kind in der griechischen Kunst (Mainz 1984) 254-258, Abb. 108.
B. Andreae, Skulptur des Hellenismus (München 2001) 158-160, Taf. 134.
B. Andreae, Schönheit des Realismus. Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik (Mainz 1998) 206-210, Kat. 34.
C. Kunze, Zum Greifen nah. Stilphänomene in der hellenistischen Skulptur und ihre inhaltliche Interpretation (München 2002) 142-153, Abb 60-64.
A. Furtwängler, Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. Entwurf einer Geschichte der Genrebildnerei bei den Griechen (Berlin 1876).
U. Mandel, Räumlichkeit und Bewegungserleben. Körperschick-sale im Hochhellenismus (240–190 v. Chr.), in: P. C. Bol (Hrsg.), Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst III: hellenistische Plastik (Berlin 2007) 164-167, Abb. 166 a-d